Seemann2005

Name:
Location: Brake/Unterweser, Niedersachsen, Germany

Portchaplain Brake Ger.Seamen`s Mission

Friday, October 28, 2005

seemann201


Geschichte aus dem Seemannsheim
„Supercargo“
ist ein Ladungs- und Stauberater in der Schifffahrt – meistens mit Kapitänspatent

Sonntag, 22.00 Uhr – vier neue Gäste kommen zu uns ins Seemannsheim, ein Supercargo mit drei philippinischen Seeleuten.
„Wir möchten eine Unterkunft für zwei oder drei Nächte“, sagte der Supercargo. Ich teilte ihm mit, dass wir ausgebucht seien, aber dass ich gerne bei der Hotelsuche behilflich bin. Der Kapitän bittet um ein Bier, erst mal ein Bier trinken…
Dann fragt er wieder: „gibt es nicht doch noch eine Möglichkeit hier im Hause zu bleiben?“
Ich erkannte, dass er müde ist und schlafen möchte, für Seeleute ist nicht das schöne Hotel entscheidend, sondern die Atmosphäre des Hauses. Sich Geborgen fühlen ist wichtiger als schöne Zimmer zu haben. Nun frage ich ein paar Hausgäste, Seeleute, die nicht lange überlegen. Sie ziehen in einigen Zimmern zusammen und machen ein Zimmer frei. Die Seeleute im Haus verstehen sehr gut, dass der Supercargo im Seemannsheim bleiben möchte. Die Seeleute beziehen die Betten, reinigen die Zimmer, bekommen vom Supercargo ein Bier und sind zufrieden. Seeleute halten eben zusammen. Der Supercargo ist zufrieden, muss aber morgens um 6.00 Uhr wieder an Bord. Sein Schiff ist ein Neubau. Wer einmal auf einem neu gebauten Schiff war, kennt das Chaos. Das Schiff kommt aus Korea und wurde dort gebaut. Die erste Reise des Schiffes ging nach Brake, hier sollte das Schiff Ladung aufnehmen.

Gegen 9.00 Uhr am nächsten Tag, kommen die Seeleute vom Schiff zurück und möchten im Seemannsheim frühstücken. Der Supercargo erzählt mir, dass an Bord ein Safe ist, den keiner öffnen kann. „Sie, Herr Koch, haben doch auch so einen Safe in ihrem Office (Büro, Anmeldung), sie kennen sich doch sicherlich damit aus? Zu der Firma in Korea, die den Safe geliefert hat, bekommen wir keinen Kontakt. Wir erreichen sie nicht.“ Nach etwas zögern bin ich bereit und gehe mit an Bord um mir den Safe nur anzuschauen.

Der Supercargo sagte zum Kapitän: „Ich habe aus dem Gefängnis einen Safeknacker, der hat eine Stunde vom Gefängnisdirektor frei bekommen um einem Schiffskapitän zu helfen.“ Ich wurde etwas verlegen, denn das war nicht abgesprochen. Aber ich mache das Spiel mit.

„Na gut, na schön…“ der Kapitän bemustert mich von oben bis unten und nimmt mich mit in seinen Salon, der neben der Brücke des Schiffes ist. „Hier steht der Safe und hier ist die Beschreibung für den Safe.“ Die Beschreibung ist aber auf Koreanisch, die koreanischen Schriftzeichen kann ich nicht lesen und die Sprache kann ich auch nicht. Was nun? Ein Übersetzer muss her! Glücklicherweise sind Koreaner an Bord. Ein Koreaner kann englisch und liest die Beschreibung, erzählt mir etwas und ich mache mir ein paar Notizen während ich zum Safe gehe. Ich drehe zweimal rechts, viermal links und fünfmal rechts, und auf null – na nu, der Safe ist auf. So viele erstaunte Gesichter habe ich kaum in meinem Leben gesehen, der Kapitän kann es nicht fassen. Schließlich waren sie schon vier Wochen mit dem verschlossenen Safe unterwegs und weder einer aus der Mannschaft noch die Ingenieure konnten den Safe öffnen. Die koreanischen Werftarbeiter, die mit an Bord waren und die Überführungsfahrt begleiten mussten, hatten große Sorge. Der Kapitän sagte: „Keiner verlässt das Schiff, wenn der Safe nicht offen ist.“ Jetzt aber waren alle froh, denn die Ingenieure und Werftarbeiter wollten wieder nach Hause.

Der 1. Offizier des Schiffes, der mich zuerst sehr ablehnend betrachtete, kam plötzlich auf mich zu. „Sie müssen mir meinen Safe auch öffnen. Der Safe ist in meinem Salon.“ Ich folgte ihm und er zeigte mir seinen Safe der sich hinter seinem Nachtschrank befand. Er gab mir die Beschreibung. Dieses Mal konnte ich die Beschreibung auch ohne Dolmetscher lesen. Drehte ein paar Mal nach rechts und links, und auf null – der Safe war auf. Wieder ging ein großes Staunen durch den Raum. Dann übten wir noch ein paar mal die Zahlenkombinationen und schrieben sie auf, in Englisch natürlich.

Wir lernten die Zahlenkombinationen auswendig, erst mit dem Kapitän, dann mit dem Offizier, erst dann durfte ich gehen.

Nun bot man mir auf der Brücke des neuen Schiffes noch eine Tasse Kaffee an, die ich natürlich dankbar annahm. Dann zeigte man mir die neuen Instrumente der Navigation.

Alle waren froh, denn sie brauchten nicht mehr mit einem geschlossenen Safe über alle Weltmeere schippern. Immerhin ist normaler Weise die ganze Schiffskasse mit ihren Heuern im Safe enthalten. Wieder und wieder kamen einige philippinische Seeleute und koreanische Werftingenieure an der Schiffsbrücke vorbei und wollten den Safeknacker sehen. Der Supercargo sagte zum Kapitän: „ich muss jetzt wieder gehen, ich muss den Mann wieder ins Gefängnis zurückbringen, sonst bekommt er ärger mit dem Gefängnisdirektor.“ „Na gut“, sagte der Kapitän, „nochmals herzlichen Dank, herzlichen Dank.“

Wir fuhren wieder zum Seemannsheim und bekamen unser zweites Frühstück und lachten und lachten fast den ganzen Tag.

Tuesday, October 25, 2005

Seemannsgeschichten001

hiermit eröffne ich meine Erlebnisse,
aus dem Braker Seemannsheim, für Anregungen oder Verbesserungen bin ich sehr dankbar.

Hans-Hermann Koch